Besetzung
für Streichquartett und Bass-Bariton nach Texten von Else Lasker-Schüler und Franz von Assisi
Dauer
24 Minuten

Gedanken zum Werk

Das Stück beginnt ausdruckslos mit einem einsamen langen Flageoletton. Fragmentarische Gedanken über Freiheit und Erlösung werden in unverständlichen Fetzen übereinander geschichtet. Noch gelingt kein ruhiges Denken, denn gewaltsam dringt ein dunkles Erlebnis von Verlust und Trauer herein. Zwei Stimmen klagen, beweinen das verlorene Glück. Ein Schimmer von Hoffnung spendet dennoch Trost und Zuversicht.

Stärker als Trauer ergreift die Urangst von uns Besitz, steigert sich bis zu einem dämonischen Teufelstanz und mündet in Verlassenheit: „Die Sterne fliehen schreckensbleich vom Himmel meiner Einsamkeit… Ich finde mich nicht wieder in dieser Todverlassenheit“ (Else Lasker-Schüler).

Erlösung spenden DIE LIEBE – Franz von Assisi betet: „nicht daß ich geliebt werde, sondern daß ich liebe“ – UND DER TOD: „und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben“ (vitam aeternam). Der Tod ist mehr als Trost, er ist die Befreiung von allem Endlichen. Raum und Zeit verlöschen, und die Seele ist frei zum ewigen Leben. Die Gedankenfragmente des Anfangs fügen sich homophon zum „Gespräch“ der vier Stimmen. Es verklingt, und übrig bleibt der einsame lange Flageoletton.

 

  Cellische Zeitung, 16.9.2021, Reinald Hanke
„Das war ein Höhepunkt in Celles Kulturleben: Nicht nur, dass sich das beim Celler Künstlerverein gastierende Eliot-Quartett als eine vorzügliche Formation herausstellte, auch die Uraufführung des Abends erwies sich als ein Stück, über das man nur begeistert berichten kann. George Alexander Albrechts fünftes Streichquartett erlebte in Celle seine coronabedingt sogar doppelte erste Aufführung. Es dürfte nicht viel Weissagungskraft dazu gehören, zu behaupten, dass dieses Werk noch viele Aufführungen erfahren dürfte. Und zwar nicht nur, weil sich Komponist Albrecht zwar einer anspruchsvollen, aber verständlichen Musiksprache bedient, sondern weil er den Zuhörern auch wirklich etwas zu sagen hat, was ja keineswegs immer so ist.

Albrecht hat eine Musik geschrieben, die eine spätromantische Harmonik mit einer Melodik verbindet, die die Emphase des Ausdrucks mit einer geradezu klassizistischen Konzentration auf das Wesentliche verbindet. Albrechts Melodiebildungen wirken manchmal wie von Hindemith inspiriert, dabei aber auf dessen Harmonik verzichtend. Da wirkt mal eine Passage in der Terzverwandtschaft einzelner Abläufe, als ob Albrecht ganz nah beim mittleren oder späten Beethoven oder Schubert wäre, dann erinnert die Faktur an Brahms, an einer Stelle gar konkret an dessen „Deutsches Requiem“. Manchmal aber glaubt man auch, Anklänge an Wagners „Tristan“ zu vernehmen. Und dann schreibt Albrecht für die großartige Bass-Stimme Thomas Stimmels Linien, die auch Richard Strauss hätte einfallen können.

Bei anderen Komponisten wirken solche Anklänge auf Dauer fast immer wenig befriedigend. Albrecht schaffte es aber trotz der Verwandtschaft zu so vielen historischen Komponisten, einen ganz eigenen wiedererkennbaren Klangeindruck zu erzeugen. Dieses fünfte Streichquartett wirkt wie ein opus summum des kompositorischen Lebens Albrechts. Schade, dass der Komponist die unglaublich starke Wirkung seiner Musik in Celle gesundheitsbedingt nicht selbst erleben konnte. Das Eliot-Quartett spielte das Werk vorzüglich.“