Gesänge nach Gedichten von Gerhard Altenbourg

Gattung
Lied
Besetzung
Bass-Bariton, Klarinette, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Harfe

Gedanken zum Werk

„Stark beeindruckt von Altenbourgs Maler-Buch bin ich spontan und ohne Auftrag an die Vertonung von vier Texten gegangen, die drastisch- grotesk, zum Teil unverständlich und Da-da- nah, auch skurril- humoristisch daherkommen. Dennoch klingt Leiden und Sterben oftmals an. Den Schluss des Werkes bildet das ergreifende Gedicht, dass Altenbourg am Vorabend seines Todes niederschrieb: eine Unio mystica auch hier.“

Sechs Gesänge nach Gedichten von Gerhard Altenbourg

I.
Da nächtlich gestiegen hinab die Schritte, hinab zum Verzichten;
wasserwärts rufende Dunkelheit in der Ufer berührender Nähe.
Dort im Schweigen aufsaugendes Schweigen als Nahrung auf dem Grund.
Im Zug der schattenlosen Schiffe, gezogen längst vorbei,
im Hilfeschrei der Uferwälder schon immer. Wie lange, so lange weit vorbei.

II.
Gedrängt an der Verhängnis Rand Springt dich Minos Tier an,
triebhaft, reißend, hindurch, hinabgelebt in den Walddämmerzustand.
So aufkeuchend die Flamme entsinkt, aufschäumt im Schwarz einer Rüstung,
gerippt, bedornt und entkernt, eingewebt inn´rem Revier,
aus dem keinerlei Schrei aufspringt im Bewusstsein einer Lösung,
wo dies Lächeln zur Ruhe kommt und stet schweigt über der Walstatt.

III.
Als dein Sprung mich ansprang, grauer Zwerg im Mauerwerk,
plastisch hob sich deine Keule aus der Fläche mürbem Hang,
hob sich, dass sie mich erfahre, Haupt und Willensraute
tief gekrönt und tief empfangen, im Labyrinth der Qual.

IV.
Zieh dies dumme Wanzenlicht wie es früh die Sonne sticht,
steigt empor aus Haaresbreiten und erbleicht im Wasserschreiten
eines Regens aus der Tonne tief gestreift als Morgennebel.
Und dann spricht es tief ergraut:
Trag mich in das Sonnenlicht eines aufgeklärten Tagberichts.

V.
Diesen Tag überstehen bis die Nacht kommt,
geschwisterlich, und alles Laute auslöscht,
einfällt in eine Waldung dunklen Wachstums,
Moos, Geburt und Verwandlung.

VI.
Auch dort die Bläue von Lethe umflüstert:
Die Fackel gesenkt, der Blick ins Abgründige.
Schlaf, Schlaf. Mohn.
Dein Schluchzen über das Vergessen, Schlaf, schlaf, mein Kind.
Gelitten, und dann das Fortgeh’n.
Und drunten das Blau.
Darüber die Schwärze des Nichts.
Eleison Eleison Hesychia.
strömt und ruht.